Das Neubaugebiet Görlitz-Königshufen wurde 1978 von seinen ersten Bewohnern bezogen. Heute (Stand März 2013) wohnen etwa 7.600 Bürger in diesem nördlichen Stadtteil, von denen reichlich 10% zur Evangelischen Hoffnungskirchengemeinde
gehören. Bis zum Herbst 1983 gehörten die evangelischen Christen dieses Wohngebietes zur innerstädtischen Dreifaltigkeitskirchengemeinde und wurden von dort aus behelfsmäßig betreut.
Der Gemeindeaufbau in der Plattensiedlung begann mehr als kümmerlich: Bischof Hans-Joachim Wollstadt (1991 verstorben) überreichte dem jungen Pfarrer Georg Scheuerlein einen Schlüssel für einen ausrangierten Zirkuswagen mit den
Worten: "Den haben wir ihnen als Kirchenersatz hingestellt!" Dies geschah im September 1983.
Zu den ersten zwei Kindern, die damals auf geborgten Stühlen in dem Zirkuswagen auf ihre Christenlehre warteten, sagte der Pfarrer: "Nun gründen wir die Evangelische Kirchengemeinde Königshufen". Und um sich und den Kindern Mut zu machen,
betete er einen Gesangbuchvers: "Heiland, deine größten Dinge, beginnst du still und geringe".
Die "Aktivisten der ersten Stunde" waren eine Handvoll gläubiger Männer und Frauen, die sich zum mühevollen Besuchsdienst in den "Arbeiterschließfächern" − so wurden die Neubauwohnungen wegen ihrer Türnummern sarkastisch
genannt − aufmachten.
Zum "Ev. Pfarramt Königshufen" wurde das Kinderzimmer in der privaten Pfarrwohnung umfunktioniert.
Zwei Dinge lernten wir bei unserem Gemeindeaufbau; zum einen: Ohne persönlichen Kontakt läuft nichts. Das andere: Wir mussten unsere Herzen öffnen, damit sich uns die Türen öffneten.
Wenig Mut machendes hörten wir von einigen "Gläubigen": "Es hat doch alles keinen Zweck. In den Neubauten wohnen doch nur Kommunisten!" − Aber in der Bibel lasen wir: "Gott will, dass alle Menschen errettet werden!"
Und so gab es auch sonntags Gottesdienst im Zirkuswagen − freilich höchst unliturgisch: Eine Gitarre ersetzte die Orgel, ein geborgter Tisch den Altar.
Es war ein abenteuerlicher Anfang in unserem gelben Zirkuswagen: Weit und breit keine Toilette, dafür im Winter sehr kalt und im Sommer sehr heiß. Sogar einen Brandanschlag auf unser Wägelchen mussten wir verkraften. Aber unsere Gemeinde
in Königshufen wurde bekannt. Und gegen den Widerstand streitbarer Kommunisten, direkt an der "Straße der Oktoberrevolution", stellten wir vor einen Neubaublock den Schaukasten mit dem Plakat "Jesus lebt!"
Und so predigten wir die ganze Heilige Schrift, alle Verheißungen, aber auch alle Warnungen Gottes. Wir fragten nicht: "Was will der sogenannte moderne Mensch hören?", sondern: "Was will Gott uns sagen?"
Doch in unserem Zirkuswagen wurde es eng und enger. Bei 25 Sitzplätzen und 40 Gottesdienstbesuchern drohte Kreislaufversagen wegen Luftknappheit! Ein großer Kirchraum musste her. Sanfte sowie energische Bittschriften an die Kirchenleitung
folgten. Aber die Bescheide waren abschlägig.
"Herr Pastor, so wird das nichts. Wir müssen beten", so der entscheidende Impuls einer älteren Dame. Und so geschah es dann auch: Jeden Montag vor der Bibelstunde baten wir Gott um einen Raum mit 300 Plätzen. Bis es soweit war, nutzten
wir eine kleine katholische Kapelle am Rande des Neubaugebietes.
Und dann erlebten wir etwas, was wir bisher nur aus frommen Büchern kannten: Als der Pfarrer eines Tages nach Hause kam, lag ein Zettel auf dem Schreibtisch: "Der Herr Bischof hat sich für die heutige Gemeindeleitungssitzung angesagt, denn
er will dir eine Kirche schenken!"
"Der Herr Bischof hat sich für die heutige Gemeindeleitungssitzung angesagt, denn er will dir eine Kirche schenken!"
Der abendliche Kommentar des damaligen Bischofs Rogge (2000 verstoben) lautete: "Die berühmte Rokokokirche aus Deutsch-Ossig muss dem Braunkohletagebau weichen, und wir möchten diese Kirche in ihr Gemeindegebiet umsetzen."
Wir aber konnten nun der Erhörung unserer Gebete zuschauen: Die Grundsteinlegung erfolgte 1992, ein Jahr später das Fest der Turmbekrönung. Es war ein bewegender Augenblick, als bei den Feierlichkeiten erstmals die Glocken der neuen
(alten) Kirche in diesem ehemals sozialistischen Neubaugebiet erschallten, die Menschen ihre Fenster öffneten, die Balkone betraten und miterlebten, dass die Gemeinde Jesu alle politischen Herrschaftssysteme überdauert. Mancher unter
uns erinnerte sich an den Ruf Walter Ulbrichts: "Keine Kirche in unseren Neubaustädten!"
Hier aber ragte nun der Kirchturm wie ein ausgestreckter Finger in den Himmel und wies auf Gott, den Herrn unseres Lebens. Und durch den Klang der Glocken wurden alle Bewohner zum Hören der christlichen Botschaft eingeladen. Mit großem
Bedacht wählten wir für unsere Kirche den Namen "Hoffnungskirche".
Das Kirchengebäude befindet sich zwischen den Neubauten auf der einen Seite und dem Friedhof auf der anderen Seite; eine vielsagende Ortslage, die dem schnelllebigen Menschen unserer Zeit die Frage stellt, ob er sich nicht durch die Botschaft
dieser Hoffnungskirche die Antwort auf die Frage nach der Hoffnung, die den Tod überdauert, holen will.
Heute finden sich in der Hoffnungskirchengemeinde alle Lebensäußerungen die man von einer Kirchengemeinde erwarten kann: Gottesdienste und Bibelstunden, Kirchenchor und Seniorentreff, Kinder- und Jugendangebote, Glaubenskurse, Gesprächskreis
und Besuchsdienst, Krabbelgruppe und Diakonie, Gebetsstunden und Lobpreiszeiten.
Aber auch die Kümmernisse einer "ganz normalen" Neubaugemeinde müssen wir durchleben: Die Besserverdienenden bleiben nicht in der Plattensiedlung, sondern bauen sich ihr Häuschen im Grünen. Viele junge Familien, die in unserer
Gemeinde zum Glauben kamen oder geistliche Belebung erfuhren, sind der Arbeit nachgezogen und leben inzwischen in den alten Bundesländern. Aber von nicht wenigen hören wir mit Freude, dass sie sich in der Kirchgemeinde ihres neuen Wohnortes
einbringen. So erweist sich im Rückblick unserer Gemeinde als Ort des Glaubensanstoßes und als "Durchlauferhitzer" des Glaubens. Die sonntäglichen 80 Gottesdienstbesucher aber sollen in eine immer größere Verbindlichkeit
ihres Jüngerseins hineingeführt werden.
Die Hand des Höchsten kann alles ändern.
Zur Einweihung der wiedererrichteten Kirche 1998 lag die uralte Lutherbibel auf dem Altar. In dieser Bibel fand der Pfarrer den Text für seine Kirchweihpredigt in Psalm 77,11: "Die Hand des Höchsten kann alles ändern!" (unrevidierter
Text). Die Wahrheit dieses Gotteswortes hatten wir als "Zirkuswagengemeinde" erfahren: "Die Hand des Höchsten kann alles ändern?" Weil diese göttliche Hand durch Gebete von gläubigen Menschen bewegt worden ist, entstand eine
Gemeinde und empfing diese aus Gottes Hand ihr Gotteshaus.